theorieblog.de | Presseschau 02/2010

22. Februar 2010, Volk

In unserer Rubrik „Presseschau“ möchte ich heute eine Reihe weiterer Journals vorstellen und kurz auf einige interessante Debatten hinweisen. Ich würde mich sehr freuen, wenn die eine oder der andere von euch im Kommentar ergänzt oder erweitert.

Human Rights Quarterly

So eben ist die neue Ausgabe von Human Rights Quarterly erschienen, das dieses Mal eine ganz Reihe lesenwerter Aufsätze beinhaltet. Marie-Bénédicte Demour unterscheidet in ihrem sehr sortierten Aufsatz „What are Human Rights“ vier verschiedene Schulen – die natural, deliberative, protest und discourse scholars – und arbeitet heraus, inwiefern diese Schulen sich zu Fragen nach Universalität, Verwirklichung, Verrechtlichung etc. verhalten. (Gerade als Lektürgrundlage für Seminare zum Thema „Politik und Menschenrechte“ extrem geeignet!) In derselben Ausgabe argumentiert Amitai Etzioni – in für mich zugegebenermaßen nicht überzeugender Weise –, dass die Normativität von Menschenrechten selbstevident sei und keiner Begründung benötige. Multikulturalismus ist das Thema von Alexandra Xanthaki. Stiefmütterlich vom Internationalen Recht vernachlässigt, arbeitet Xanthaki heraus, dass wesentliche Merkmale der Idee des Multikulturalismus bereits als rechtliche Standards den Vereinten Nationen und ihren Institutionen  zugrunde liegen.

The Review of Politics

Einst von Waldemar Gurian ins Leben gerufen gab es in der letzten Ausgabe der Review of Politics eine kleine Debatte darüber, was vergleichende politische Theorie ist. Im Kern geht es dabei darum, ob es eine Subdisziplin „Vergleichende Politische Theorie“ geben und welchen Stellenwert „the study of non-western text“ darin spielen soll. Während Andrew March sich gegen eine solche Subdisziplin ausspricht und die Politische Theorie dazu aufruft, ihr methodisches Handwerkszeug zu überdenken und herauszuarbeiten, warum Autoren und Schriften jenseits des Westen so einen geringen Stellenwert einnehmen, ist Farah Godrej besorgt, dass „March’s arguments will reinforce the substantively and methodologically Eurocentric focus of political theory.“

Philosophy of Social Sciences

Einen extrem lesenswerten und gut geschriebenen Artikel findet man in der brandneuen Ausgabe von Philosophy of Social Sciences. Geschrieben wurde dieser Artikel von Brian Epstein. Epstein beschäftigt sich darin mit der Frage, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage Kritik an Begriffen formuliert wird und etwas als „falsch“ zurückgewiesen werden kann. Indem sein neuer Ansatz das kritische Potential von Geschichte aufzeigt, versucht Epstein die Genealogie als Methode weiter zu spezifizieren.

Philosophy and Rhetoric

In der neusten Ausgaben der Zeitschrift lädt Romain Laufer zu einer Reise durch Geistesgeschichte ein. Er tut dies anhand des Begriffs der Rhetorik. Auf intellektuell höchst anregende Weise zeigt Laufer nicht nur das Zusammenspiel von Rhetorik und Philosophie in den Debatten der griechischen Antike auf, sondern gewährt Einblick in die verschlungenen Pfade französisch-amerikanischer Geistesgeschichte. In meinen Augen ein richtig schöner und gedankenreicher Aufsatz für den Lesesessel oder das Café.

Philosophy and Social Criticism

Für all diejenigen unter euch, die an Fragen rund um das Thema „Constitutionalism“ interessiert sind, findet sich mit Todd Hedricks Abhandlung über Rawls und Habermas spannender Stoff zum Diskutieren. Hedrick geht davon aus, dass Rawls – im Gegensatz zu Habermas – nur sehr unzureichend für die postmetaphysische Demokratie geeignet ist. Zwar setzen beide auf die Verfassung positiver, öffentlicher Referenzpunkt für demokratische Partizipation, aber mit Meinungsverschiedenheit über den Inhalt von verfassungsmäßigen Rechten könne Habermas besser umgehen. Philosophy and Social Criticism bietet aber dieses Mal auch was, für alle ideengeschichtlich Interessierten. Carlo Altini richtet die Geschichte modernen politischen Denkens an ihrem Verhältnis zu den Begriffen der potentia und potestas aus. Für diejenigen unter euch, die sich auf die kommenden Tagungen der Theorie-Sektion zum Machbegriff in Erfurt und Augsburg vorbereiten wollen, sicherlich ein empfehlenswerter Anfang.


Vollständiger Link zum Artikel: https://www.theorieblog.de/index.php/2010/02/presseschau-022010/