Radikale Demokratietheorie zwischen Traditionspflege und Innovation. Ein Konferenzbericht

Der Aufstieg der radikalen Rechten, die sich verschärfende Klimakrise, makroökonomische Verwerfungen und jüngst neue geopolitische Kampffelder stellen die politische Theoriebildung zu Beginn der 2020er Jahre vor neue Herausforderungen. Inwiefern kann die radikale Demokratietheorie (RDT) – eine Denkrichtung, die in den 1980er Jahren entstand und in Deutschland vor allem in den 2000er Jahren mit einer dezidiert linken bzw. linkspopulistischen Stoßrichtung hervortrat – vor diesem veränderten Hintergrund am Puls der Zeit bleiben? Dieser Frage stellten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz „Transformationen des Politischen. Radikaldemokratische Theorie für die 2020er Jahre“ vom 20. – 22. Oktober, die Karsten Schubert, Georg Spoo, Lucas von Ramin und Vincent Gengnagel am Freiburger Institute for Advanced Studies organisiert haben. Die Beiträge schwankten dabei zwischen einer gewissen Apologetik der radikalen Demokratietheorie – also der der Verteidigung ihrer tradierten Grundbegriffe und Beschäftigungsfelder – und innovativen Impulsen, die sich um eine Revision bestimmter Konzepte und Erschließung neuer Untersuchungsfelder bemühten.

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Plurale Demoi für die Demokratie

Im dritter Beitrag in unserer Reihe zum Thema „Souveränität“ diskutiert Julius Wolf die Souveränität pluraler Demoi als Antwort auf die Krise der liberalen Demoi.

Zwar geht in Demokratien alle Souveränität vom Volke aus, allerdings wird diese durch Institutionen gebändigt und delegiert. Der Souverän gibt, ob er will oder nicht, seine Legislativmacht vorläufig ab. Die institutionelle Anlage der liberalen, elektoralen Demokratie hält nur ein spärliches Repertoire an Partizipationsmöglichkeiten bereit und verrät eine tiefe Skepsis gegenüber dem Volk. Darüber hinaus produziert diese Demokratie Eliten, Ausschlüsse und Unzufriedenheit. Das ist einer der Gründe gegenwärtiger Demokratiekrisen, die in der repräsentativen Demokratie angelegt sind. Schließlich ist die Diskrepanz zwischen Ideal und Wirklichkeit der Demokratie institutionell fixiert. Die Krisen stellen aber auch eine Chance dar, da in ihnen gleichzeitig Demokratisierungspotenzial enthalten ist: In vielen Protesten wird diese Demokratie kritisiert, weil sie über den Wahlakt hinaus kaum demokratisch ist. Gefordert wird, das Versprechen der Volkssouveränität (anders) einzulösen – etwa mit mehr Beteiligung, Referenden und „Mini-Publics“. Ebenso wird Kritik an der mangelnden Inklusivität demokratischer Prozesse formuliert, von denen beispielsweise Armutsbetroffene oder Migrant*innengruppen ausgeschlossen sind.

Angesichts der vielfältig konstatierten Krise repräsentativer Demokratie stellt sich die Frage, wie Volkssouveränität realisiert werden sollte, um diese Krise demokratisch zu bewältigen. Die in diesem Beitrag vertretene These lautet, dass die Defizite elektoraler Demokratien nicht nur bedeuten, andere Verfahren stärken zu müssen, sondern auch, verschiedenen Gruppen als Demoi Zugang zum demokratischen Prozess zu ermöglichen. Große Teile liberaldemokratischer Gesellschaften, die faktisch diskriminiert sind, müssen sichtbar gemacht werden, um sie zu inkludieren bzw. die strukturellen Voraussetzungen des Ausschlusses zu bekämpfen. (mehr …)

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Ringvorlesung „Popular Sovereignty“ an der HU Berlin

An der Berliner Humboldt-Universität läuft in diesem Semester, organisiert von Ewa Atanassow und Anna Bettina Kaiser, eine Ringvorlesung zu „Popular Sovereignty“. Veranstalter sind das Bard College Berlin und das Law and Society Institute an der HU, unterstützt vom American Social Science Research Council. In den kommenden Wochen sprechen u.a. Ivan Krastev, Daniel Ziblatt und Dieter Grimm. Alle Infos finden sich hier, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

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„Formwandel der Demokratie“. Bericht zur DVPW-Sektionstagung in Trier

Die „Krise der repräsentativen Demokratie“ ist kein neuer Topos des Fachs. Doch hat das bereits vor zwei Jahren auserkorene Thema „Formwandel der Demokratie“ der Frühjahrstagung der DVPW-Sektion „Politische Theorie und Ideengeschichte“, zu der Winfried Thaa (Universität Trier) und Christian Volk (FU Berlin) vom 29. bis zum 31. März 2017 nach Trier einluden, vor dem Hintergrund jüngster Entwicklungen neue Brisanz erhalten: In Zeiten eines Erstarkens des Rechtspopulismus sowie autoritärer und antipluralistischer Tendenzen in vielen europäischen Ländern, des „Brexit“ oder der polarisierenden Wahl Donald Trumps in den USA gilt es, die aktuellen Entwicklungen politik- und demokratietheoretisch einzuordnen sowie konzeptionelle Antworten auf diese Herausforderungen zu entwickeln. Der für Ambivalenzen offene Begriff des „Formwandels“ – von den Gastgebern als bewusste Abgrenzung zum Terminus der „Postdemokratie“ gewählt – erscheine angesichts der aktuellen Entwicklungen beinahe als Euphemismus, so Winfried Thaa in seiner Eingangsrede. Zugleich macht der Begriff auf den zentralen Ausgangspunkt der Tagung aufmerksam: Potentiell demokratiegefährdenden Entwicklungen stehen gegenläufige Tendenzen wie die Ausweitung individueller Rechte und die Institutionalisierung neuer Partizipationsformen gegenüber. Zentrale Themen und Fragen der Tagung waren daher neben der demokratietheoretischen Analyse des Formwandels auch normative Bestimmungs- und Selbstvergewisserungsversuche: Wie manifestiert sich der Formwandel der Demokratie und wieviel Formwandel verträgt sie? (mehr …)

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Ein Demokratietheorie-Programm. Felix Heidenreichs ZPTh-Artikel in der Diskussion

Seit ein paar Tagen ist das neue Heft der Zeitschrift für Politische Theorie (ZPTh) verfügbar. Es beschäftigt sich mit dem Werk des französischen Historikers und Philosophen Pierre Rosanvallon: Daniel Schulz unternimmt eine werkbiographische Einführung, Samuel Moyn diskutiert die anglo-amerikanische Rezeption, Michel Dormal untersucht Rosanvallons Beitrag zur Methodenfrage der Ideengeschichte, Yves Bizeul und Jan Rohgalf betrachten mit und gegen Rosanvallon einen Wandel des Imaginären, Paula Diehl prüft Rosanvallons Beitrag zum Verständnis des Populismus und den Abschluss bildet ein Gespräch mit Pierre Rosanvallon zur Unbestimmtheit der Demokratie. Darüber hinaus prüft Felix Heidenreich in seinem Beitrag unter dem Titel „Die Organisation des Politischen. Pierre Rosanvallons Begriff der ‚Gegen-Demokratie‘ und die Krise der Demokratie„, welche Folgen Rosanvallons Analysen für die Organisation des Politischen haben.  Wir freuen uns, dass wir unsere Zusammenarbeit mit der ZPTh auch bei dieser Ausgabe und diesem Thema weiterführen und den Beitrag von Felix Heidenreich zum kostenlosen Download als PDF zur Verfügung stellen können. Wir freuen uns ebenso, dass Emanuel Richter sich bereit erklärt hat, den Kommentar des Beitrags zu übernehmen.

Seinen Kommentar findet ihr unter dem Strich. Wir laden euch darüber hinaus herzlich ein, unter dem Beitrag in die Diskussion einzusteigen. Eine Replik des Verfassers auf den Kommentar sowie auch auf weitere Diskussionsbeiträge wird folgen.

 

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