„…but I know it when I see it!“ Ein Kommentar zu Jan-Werner Müllers „Was ist Populismus?“

Hans-Jürgen Puhle, ein Kenner der lateinamerikanischen „Volksbewegungen“, erinnerte sich vor Jahren auf einer Tagung angesichts der methodischen Schwierigkeiten einer Definition des Begriffs „Populismus“ an den amerikanischen Verfassungsrichter Potter Stewart. Dieser hatte 1963 im Fall „Jacobellis vs. Ohio“ über das Verbot eines vermeintlich pornografischen Films  zu befinden, wollte aber keine konkrete Definition von „Pornografie“ vorlegen. Eine solche Begriffsbestimmung sei vielleicht auch gar nicht möglich, befand Stewart. „…but I know it when I see it“, lautete sein berühmt gewordener Zusatz, der wie ein Leitmotiv auch für die jüngsten Diskussionen über den Populismus wirkt. Der inflationär zirkulierende P-Begriff ist, so scheint es, eher eine intuitiv verwendete Kampfvokabel denn ein wissenschaftlicher Terminus. Stets wirken Populismusforscher wie Schmetterlingsjäger, die ihre – aufgrund der jeweils landestypischen politischen Vegetation höchst unterschiedliche – Beute unter Glas aufspießen und mit einem lateinischen Fachterminus klassifizieren wollen. Doch regelmäßig entzieht sich das dynamische Phänomen der starren Definition, verändert der außerordentlich lebendige Gegenstand der Untersuchung Form und Inhalt, ersetzt Personen, verwirft Programme und wirbelt traditionelle Parteienlandschaften durcheinander. (mehr …)

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Wiedergelesen zum 60. Geburtstag: Flammende Worte, brennende Heime. Zur Aktualität von Judith Butlers »Haß spricht«

Wiedergelesen-Beitrag: Judith Butler: Excitable Speech. A Politics of the Performative. New York, London: Routledge 1997 (dt.: Haß spricht. Zur Politik des Performativen. Berlin: Berlin-Verlag 1998/Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2006).

Sollen rassistische Kommentare im Internet gelöscht werden? Soll man die Neuauflage von Hitlers Mein Kampf unterbinden? Soll die AfD aus den Debatten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ausgeschlossen werden? Es gibt einen guten Grund, alle diese Fragen mit ja zu beantworten: Hassrede führt zu Gewalt. Sie verletzt die Angesprochen, und zwar nicht nur psychisch, sondern früher oder später auch physisch. Wie Justizminister Heiko Maas sagte: „Verbalradikalismus ist immer auch die Vorstufe zu körperlicher Gewalt.“ Die flammenden Worte besorgter Bürger und Politiker führen letztlich zu den brennenden Heimen, von denen wir in letzter Zeit viel zu viele gesehen haben. Darum endet hier die Redefreiheit. – Diese Argumentation ist verständlich. Doch sie richtet mehr Schaden an, als sie hilft.

Diese Auffassung hat Judith Butler in ihrem Klassiker Haß spricht vertreten. Heute, am 24. Februar 2016, begeht sie ihren 60. Geburtstag. Mit ihrem Buch ergriff sie das Wort in einer amerikanischen Debatte um die Redefreiheit. (mehr …)

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Tagungsbericht „Narrative Formen politischen Denkens“, 25.–27. Oktober 2012, TU München

Vielversprechend verrückt, so klang in meinen Ohren der Titel der Tagung „Narrative Formen politischen Denkens“, den ich auf einem Plakat las. Da traut sich offensichtlich die Deutsche Gesellschaft zur Erforschung des politischen Denkens etwas zu behandeln, das PolitikwissenschaftlerInnen bislang nur dann anfassten, wenn sie entweder ihre Karriere erfolgreich beendet haben (wie Henning Ottmann, der in seiner Geschichte des politischen Denkens wie selbstverständlich Schriften Homers, Shakespeares, Goethes und sogar einiger Science-Fiction-AutorInnen analysiert) oder ernsthaft in Gefahr bringen wollten. Nach dem eröffnenden Grußwort der DGEPD-Vorsitzenden Barbara Zehnpfennig konstatierte Gastgeber Wilhelm Hofmann dann auch, dass die Politikwissenschaft Erzählungen bisher sträflich vernachlässigt habe, obwohl die ganze Ideengeschichte von ihnen durchdrungen sei und sogar die politische Praxis die Narration (wieder)entdecke. Er drückte die Hoffnung aus, dass das Thema „Narrative“ endlich auf die Tagesordnung der politikwissenschaftlichen Forschung gestellt werde und die Tagung dazu einen Impuls geben möge. (mehr …)

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Konferenz: Die Mündlichkeit im Rechtsleben (Regensburg)

In Regensburg organisiert der Arbeitskreis „Sprache und Recht“ am 26. und 27. April eine Tagung zum Thema „Die Mündlichkeit im Rechtsleben„. Diskutiert werden soll die Rolle von Rhetorik und Kommunikation im Recht oder auch spezieller im Gerichtsprozess. Die Veranstaltung hat einen rechtswissenschaftlichen Schwerpunkt ist aber interdisziplinär angelegt und dabei sicher auch für den ein oder anderen Theoretiker interessant. Es wird sowohl über theoretische Hintergründe als auch über historische Entwicklungslinien und unterschiedlichen Rechtstraditionen debattiert. Das Programm und alle Infos hier in PDF-Form. Die Anmeldung ist kostenlos und erfolgt unter: sprache.recht@jura.uni-r.de

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CfP Power, Rhetoric, and Political Culture: The Texture of Political Action

Wer sich mit der Verbindung zwischen Macht, Rhetorik und politischer Kultur wissenschaftlich auseinandersetzt und eine Publikationsmöglichkeit sucht, der sollte sich die nachfolgenden Informationen genauer ansehen. Denn die Herausgeber Ralph Cintron und Robert Hariman bitten um Einsendungen von Kapiteln zu dem Band „Power, Rhetoric, and Political Culture: The Texture of Political Action“ für die von Berghahn Books veröffentlichte Reihe „Rhetoric Cultures“. Ausgewählte Beiträge sollen vor der Veröffentlichung zudem auf einer Tagung an der Northwestern University im Januar 2012 präsentiert werden. Alles Weitere findet Ihr hier. (mehr …)

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