Kongresssplitter: Zwischen luftigen Höhen und festem institutionellem Boden

— Panel 1.C Institutions of Uncertainty und 7.B. Uncertainty and the turn to empirical engagement in political theory —

Der Theoriekongress bot einen spezifischen Blick auf die politische Theorie: Der Schwerpunkt lag auf kritischen, radikaldemokratischen bzw. poststrukturalistischen Ansätzen. Die dadurch aufgetretenen Versäumnisse, die auch mit Beibehaltung dieser Schwerpunkte hätten vermieden werden können, möchte ich anhand der Gegenüberstellung zweier Panels – „Institutions of Uncertainty“ (1.C) und „Uncertainty and the turn to empirical engagement in political theory“ (7.B) – sichtbar machen. Kurzum, in Bremen hat eine abstrakte, nicht institutionell denkende Art der politischen Theorie dominiert, während eine andere, gewinnbringendere institutionell orientierte Art zwar präsent war, aber nicht dieselbe Prominenz genoss.  (mehr …)

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Kongresssplitter: Theorie komm raus, Du bist umzingelt! Widersprüchliche Praxis als Theorieprogramm

— Panel 4.E:  Zur Methode der Widerspruchsoffenheit —

Das komplett von Bremer Forscher*innen besetzte Panel „Zur Methode der Widerspruchsoffenheit“ macht den Widerspruch zum Programm des Theoretisierens. Die Funktion des Widerspruchs für die Theoriebildung variiert dabei mit dem Verständnis des damit angesprochenen Theorie-Praxis-Verhältnisses. Während die radikaldemokratischen Überlegungen von Martin Nonhoff und Christian Leonhardt vor der widersprüchlichen Praxis – theoretisch in gewisser Hinsicht konsequent – kapitulieren, suchen Carolin Zieringer und Samia Mohammed in umgekehrter Stoßrichtung nach Wegen, der kritischen Theorie als Praxis durch eine widerspruchsoffene Theorieproduktion neue Impulse zu verleihen. (mehr …)

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Radikaldemokratische Sprachlosigkeit. Lesenotiz zu Chantal Mouffes Towards a Green Democratic Revolution

Für (radikale) Demokratietheoretiker_innen muss der Titel von Chantal Mouffes neuem Buch, Towards a Green Democratic Revolution, wie ein verheißungsvolles Versprechen klingen. Denn im wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs um die „Klimakrise“ steht die Demokratie seit Längerem im Verdacht, für die verhandelte Problembewältigung ungeeignet zu sein. Nicht nur hat Demokratie den Ruf notorischer Langsamkeit in der Entscheidungsfindung, sie scheint auch untrennbar verquickt mit einem modernen Emanzipationsbegriff, der eine Lösung des Selbsterhaltungsproblems voraussetzt und jenes „prometheische“ Naturverhältnis impliziert, das dem anthropogenen Klimawandel zugrunde liegt. In den Klimabewegungen, die den Anspruch erheben, Fürsprecher der gesellschaftlich nachwachsenden wie der kommenden Generationen zu sein, setzt sich – so diagnostiziert es jedenfalls Philipp Staab in seinem jüngst erschienenen Buch Anpassung. Leitmotiv der nächsten Gesellschaft – zunehmend eine neue, demokratieskeptische Vision des (Klima-)Politischen durch, die sich auch auf den Begriff einer „rationalen Technokratie des Überlebens“ bringen lässt.

Towards a Green Democratic Revolution ist von Mouffe und ihrem Verlag als schlagkräftige Erwiderung auf diesen Diskurs positioniert – vermag den geschürten Erwartungen aber nicht zu entsprechen. Die Frage nach dem Verhältnis von Demokratie und der klimapolitisch herausgeforderten Gegenwart findet überhaupt nur im letzten der vier Kapitel des Buches statt, die zusammen 67 großzügig gesetzte Seiten umfassen. Die ersten drei bestehen wesentlich aus kurzen Synopsen von Vorgängertiteln Mouffes, und können, insofern deren Schwächen und Stärken von einer umfangreichen politik- und sozialwissenschaftlichen Literatur bereits herausgearbeitet worden sind, in einer Rezension des neuen Buches getrost übergangen werden, zumal Mouffe selbst sie als Hinführungen zu ihrem vierten Kapitel präsentiert. Es enthält sehr viel und sehr wenig zugleich: sehr viele Verweise auf die multiplen Herausforderungen, die die „anthropozäne“ Gegenwart für Gesellschaften bereithält, sehr wenig systematische Auseinandersetzungen damit; sehr viel optimistische Rhetorik, in der die Klimakrise zum Kairos der demokratischen und linken Sache wird, sehr wenig Theoriearbeit. (mehr …)

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Radikale Demokratietheorie zwischen Traditionspflege und Innovation. Ein Konferenzbericht

Der Aufstieg der radikalen Rechten, die sich verschärfende Klimakrise, makroökonomische Verwerfungen und jüngst neue geopolitische Kampffelder stellen die politische Theoriebildung zu Beginn der 2020er Jahre vor neue Herausforderungen. Inwiefern kann die radikale Demokratietheorie (RDT) – eine Denkrichtung, die in den 1980er Jahren entstand und in Deutschland vor allem in den 2000er Jahren mit einer dezidiert linken bzw. linkspopulistischen Stoßrichtung hervortrat – vor diesem veränderten Hintergrund am Puls der Zeit bleiben? Dieser Frage stellten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz „Transformationen des Politischen. Radikaldemokratische Theorie für die 2020er Jahre“ vom 20. – 22. Oktober, die Karsten Schubert, Georg Spoo, Lucas von Ramin und Vincent Gengnagel am Freiburger Institute for Advanced Studies organisiert haben. Die Beiträge schwankten dabei zwischen einer gewissen Apologetik der radikalen Demokratietheorie – also der der Verteidigung ihrer tradierten Grundbegriffe und Beschäftigungsfelder – und innovativen Impulsen, die sich um eine Revision bestimmter Konzepte und Erschließung neuer Untersuchungsfelder bemühten.

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Buchforum: Radikale Demokratietheorien zur Einführung

Wer kann einer so freundlich-polemischen Gesprächseinladung schon widerstehen?

Eine Replik auf Hubertus Buchsteins Kritik radikaler Demokratietheorien

Hubertus Buchstein hat meine kleine Einführung in die radikalen Demokratietheorien zum Anlass einer kritischen Auseinandersetzung mit dem radikaldemokratischen Denken genommen, die er als freundliche Polemik untertitelt – und tatsächlich ist sein Text durchgängig wertschätzend und dialogorientiert im Tonfall. Buchstein wäre aber nicht der mit allen argumentativen Wassern gewaschene Autor, als der er sich in einer Vielzahl an maßgeblichen Beiträgen zur Demokratietheorie der Gegenwart in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder erwiesen hat, wenn er nicht wüsste, dass so freundlich vorgetragen die inhaltliche Härte der Einwände umso nachhaltiger wirkt.  (mehr …)

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Buchforum: Radikale Demokratietheorien zur Einführung

Buchforum mal anders! Vor kurzem ist Oliver Flügel-Martinsens neues Buch Radikale Demokratietheorien zur Einführung im Junius-Verlag erschienen. Der Band versucht den Spagat, von radikalen Demokratietheorien im Plural zu sprechen und die kleineren (und manchmal größeren) Differenzen zwischen den verschiedenen Vertreter*innen dieses Diskurses zu berücksichtigen, zugleich aber die Gemeinsamkeiten herauszustellen, die es überhaupt erst rechtfertigen könnten, von einem zusammenhängenden Ansatz zu sprechen. Flügel-Martinsens Buch ist entsprechend nicht anhand einzelner Autor*innen gegliedert, sondern über (geteilte) Grundannahmen, Konzepte und Themen.

Hubertus Buchstein hat dieses den Diskurs sortierende Vorgehen zum Anlass genommen, eine kritische Zwischenbilanz des radikaldemokratischen Diskurses zu ziehen. Seine ins Grundsätzliche gehenden Rückfragen veröffentlichen wir nun auf dem Theorieblog. Am Mittwoch antwortet Oliver Flügel-Martinsen hier!

Alle Leser*innen sind aufgerufen, sich an der hiermit eröffneten Debatte zu beteiligen!

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Corona und die Grenzen der Kontingenz?

Die Feststellung, dass die Corona-Pandemie gewichtige politik- und demokratietheoretische Probleme aufwirft, scheint mittlerweile eigenartig banal. Das betrifft auch radikaldemokratische Theorien – und zwar auf ganz grundlegender Ebene. Denn die globale Pandemie stellt einen Leitgedanken dieser Theorien in Frage: die Kontingenz des Politischen und der Politik. Das wurde nicht zuletzt auch durch die umstrittenen Einlassungen Giorgio Agambens  deutlich. Das Politische als kontingent zu fassen bedeutet, dass Politik nicht auf außerpolitischen Fundamenten, letzten Gründen und notwendigen Wahrheiten beruht. Es muss vielmehr als ein offener Möglichkeitsraum gefasst werden. Genau deswegen darf es eine „Absolutsetzung“ nicht geben; auch nicht die sich nun angeblich vollziehende absolute Reduktion auf das „nackte Leben“. Die letztlich einzig zulässige Notwendigkeit im Politischen ist im radikaldemokratischen Verständnis also diejenige der Kontingenz. Zu Recht? (mehr …)

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CfP: Hegemony, Crisis, Intervention (Bremen, 7.-9. Oktober 2020)

Vom 7. bis 9. Oktober 2020 wird in Bremen die Tagung „Hegemony, Crisis, Intervention. New Perspectives on Emancipatory and Radical Democratic Discourses“ stattfinden. Aus Anlass des 35. ‚Geburtstags‘ von „Hegemony and Socialist Strategy“ soll an den drei Tagen diskutiert werden, welche Perspektiven sich vor dem Hintergrund von jüngeren Entwicklungen wie dem Erstarken rechter politischer Kräfte, wachsender Ungleichheit oder auch der Klimakrise aus einer kritischen (Wieder-)Beschäftigung mit dem Werk von Laclau und Mouffe ergeben. Dir Organisator*innen Michalina Golinczak, Martin Nonhoff und Milos Rodatos laden dazu ein, bis zum 31. Januar 2020 entsprechende Vorschläge einzureichen. Der weitere Fahrplan und zusätzliche Informationen finden sich im vollständigen Call for Papers.

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Institutionen des Politischen. Theorie und Kritik (Wien)

Vom 13.-15. März 2019 findet in Wien ein Workshop zum Thema „Institutionen des Politischen. Theorie und Kritik“ statt. Die von Oliver Marchart, Matthias Flatscher, Thomas Bedorf und Steffen Herrmann organisierte Tagung wird sich mit der Frage befassen, wie ein Institutionendesign aussehen könnte, welches sich auf die Bodenlosigkeit des Politischen gründet. Weitere Details findet ihr im Programm, das jetzt hier abrufbar ist.

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