Möllers-Buchforum (4): Die (Un-)Möglichkeit der Normen

Die vorherigen Rezensenten haben den außergewöhnlichen und interdisziplinären Ansatz von Christoph Möllers’ neuestem Buch bereits gebührend gewürdigt. Als Jurist wage ich dem noch hinzuzufügen, dass Möllers’ Buch auch gerade deswegen besonders ist, weil Juristen in der Regel nicht für ihre interdisziplinären Abenteuer (und erst recht nicht für deren Gelingen!) bekannt sind. Darüber hinaus enthält das Buch Erkenntnisse, die im Grunde für alle juristischen Teildisziplinen (inklusive des Völkerrechts) von großem Interesse sein können. Es sei daher Juristen jeder Couleur wärmstens als Lektüre empfohlen. Da eine umfassende völkerrechtliche oder gar juristische Auseinandersetzung mit Möllers’ Thesen im Rahmen eines kurzen Textes leider nicht zu bewerkstelligen ist, möchte ich mich in dieser vierten und letzten Rezension gezielt nur mit dem ersten der zwei Elemente von Möllers’ Kernthese beschäftigen, die besagt, dass: „Normen…aus der Darstellung einer Möglichkeit [Element 1: Möglichkeit] und einer positiven Bewertung von deren Verwirklichung [Element 2: Realisierungsmarker]“ (111) bestehen.

Hinsichtlich des ersten Elements argumentiert Möllers, Normen seien „positiv markierte Möglichkeiten“, die auf einen „möglichen Zustand oder ein mögliches Ereignis verweisen.“ (13) Umgekehrt ausgedrückt: „Unmögliches zum Gegenstand einer Norm zu machen“ (ebd.), beziehungsweise „jemanden zu etwas zu verpflichten, das unmöglich ist“ (124) ist laut Möllers unsinnig. Aus juristischer Sicht scheint dies prima facie einleuchtend und im Prinzip nicht nur dem von Möllers zitierten (in seiner genauen Bedeutung jedoch keinesfalls unumstrittenen) römischen Rechtsgrundsatz impossibilium nulla obligatio (119), sondern im wesentlichen auch der geltenden Rechtsprechung in verschiedenen nationalen Rechtsordnungen (beispielsweise Deutschland, England; vgl. jedoch die UNIDROIT-Grundregeln) und dem Völkerrecht (z.B. Artikel 61, Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge) zu entsprechen.

Selbst wenn die meisten Rechtsnormen „Mögliches“ zum Gegenstand haben und vielleicht sogar haben sollten, stellt sich allerdings die Frage, ob die Bedingung, dass Rechtsnormen im Sinne Möllers’ Mögliches zum Gegenstand haben müssen, zwingend für Rechtsnormen gilt oder gelten sollte. Dieser Beitrag wird sich mit dieser Frage in drei Schritten auseinandersetzen. Zunächst erfordert die Beantwortung der Frage die Bestimmung von Möllers’ Möglichkeitsmaßstab. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der zweite Teil mit Rechtsnormen, welche jenem Maßstab als Rechtsnormen nicht gerecht zu werden scheinen. Der dritte und letzte Teil erörtert dann die möglichen Folgen der Erkenntnisse des zweiten Teils für Möllers’ Kernthese.

 

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