Lesenotiz zu Veith Selks „Demokratiedämmerung. Eine Kritik der Demokratietheorie“

Es gehört zu den zahlreichen Ironien des vorliegenden Buches, einer überarbeiteten politikwissenschaftlichen Habilitationsschrift (Darmstadt), dass es bei Suhrkamp erschien, dementiert es doch mit kaltem Spott den ganzen linken und linksliberalen Mainstream, der mit der Suhrkamp-Theoriereihe – in der Selks Buch 2023 erschien – und Habermas in die alte und mittlere Bundesrepublik gelangte und zur Standardlektüre aller Intellektuellen wurde. Selk räumt aber noch weit mehr ab, wie der Titel „Demokratiedämmerung“ im Anklang an die „Götterdämmerung“ und der Untertitel im Anklang an Kant und Ingeborg Maus, aber auch an den geläufigen Konnex von Kritik und Krise (Schmitt, Koselleck) schon andeutet. Selk schlachtet nicht weniger als das Gründungsprojekt der bundesdeutschen Politikwissenschaft ab: die „Demokratiewissenschaft“ als „Legitimationswissenschaft“ und Versprechen politischer Bildung und „Demokratisierung“, darüber hinaus die real existierenden Demokratien, die als solche nicht mehr unter der Idee der Demokratie und grundbegrifflichen Orientierung an normativen Leitbegriffen wie „Gleichheit“ beschreibbar seien.  

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Wiedergelesen: Kant gegen Schmitt: „Über Volkssouveränität“

Wiedergelesen-Beitrag zu Ingeborg Maus: Über Volkssouveränität. Elemente einer Demokratietheorie, Berlin: Suhrkamp 2011. 

Frankfurter Sozialwissenschaft ist ein weites Feld. Auch in „linker“ Auslegung darf sie nicht auf „Frankfurter Schule“ strikt nach Horkheimer oder Adorno verengt werden. Ingeborg Maus promovierte (1971) und habilitierte (1980) sich auch in Frankfurt und lehrte dort als Professorin für Politikwissenschaft bis zu ihrer Emeritierung (2003). Vier größere Publikationen liegen bislang vor. Die Aufsatzsammlung Rechtstheorie und politische Theorie im Industriekapitalismus (1986) treibt die Frage nach dem Verhältnis von Bürgerlicher Rechtstheorie und Faschismus (1976) weiter in die kritische Analyse der Rechtstheorie und Verfassungsstruktur der Bundesrepublik voran. Die neuere Sammlung überarbeiteter Aufsätze Über Volkssouveränität (2011) kehrt nun mit den positiven Resultaten der Monographie Zur Aufklärung der Demokratietheorie (1992) zur frühen Auseinandersetzung mit Carl Schmitt zurück. Ein zentrales Anliegen ist es dabei, die Demokratietheorie der Aufklärung gegen Schmitt und die Folgen zu aktualisieren. (mehr …)

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