Von Stellen und Baustellen: Der Imboden-Bericht zur Exzellenzinitiative aus Nachwuchs-Perspektive

Baustellen sind in der Regel nicht zu übersehen. Sie sind laut, halten auf und allen ist daran gelegen, sie so bald als möglich aufzulösen. Im Fall der Baustelle „Wissenschaftlicher Nachwuchs“, die der vor kurzem veröffentlichte Bericht der Imboden-Kommission zur Exzellenzinitiative benennt, scheint dies nicht der Fall zu sein. In der allgemeinen Berichterstattung, aber auch in der dazugehörigen Pressemitteilung der DFG findet die ambivalente Rolle der Exzellenzinitiative für den akademischen Nachwuchs keine Erwähnung. Dabei zeichnen die Ergebnisse der Evaluation ein bedenkliches Bild – denn auf die Situation des Nachwuchses wirkte sich die Exzellenzinitiative bis dato eher kontraproduktiv aus.

Im Kontext eines 66-seitigen Berichts, der die Exzellenzinitiative insgesamt in ihrer „Sinnhaftigkeit“ als „überaus positiv“ bewertet, ihr bescheinigt, „eine neue Dynamik in das deutsche Universitätssystem gebracht“ zu haben und empfiehlt, die Initiative „mindestens im selben Umfang“ fortzusetzen, wirkt die Beschreibung der Baustelle ‚Wissenschaftlicher Nachwuchs‘ wie ein Brandloch (S. 1). Zusammengefasst heißt es, die Exzellenzinitiative sei in Bezug auf die Problematik des akademischen Nachwuchses ambivalent und könne sogar „kontrapoduktiv wirken“ (S. 3).

Auch wenn im Rahmen der Initiative eine größere Zahl von Nachwuchswissenschaftler_innen an den Universitäten beschäftigt worden sei, habe dies „die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses – inklusive der Beteiligung von Frauen im Wissenschaftsbetrieb – allerdings nicht nennenswert verbessert, sondern die endgültige Entscheidung über eine akademische Karriere eher zu höherem Alter verschoben.“ (S. 29) Denn es handelt sich in der Regel allein um befristete Stellen. In Zahlen ausgedrückt heißt das, dass von den insgesamt etwa 7240 Stellen, die insgesamt durch die Exzellenzinitiative geschaffen wurden, lediglich 434 Professuren bzw. Juniorprofessuren waren (S. 28). Eine konkretere Zahl in Sachen Entfristung, bezogen auf die Exzellenzcluster, bietet der Bericht der Gemeinsamen Kommission zur Exzellenzinitiative an die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz: Von 285 clusterfinanzierten Professuren sind 56% befristet, weitere 15% mit Tenure-Track-Option (S. 66f.).

Auch wenn die hohe Zahl neu geschaffener Stellen zunächst als gute Botschaft erscheint, machen die Langzeitauswirkungen dieser Stellenflut jede Freude schnell zunichte. Als „Flaschenhalsproblematik“ bezeichnet der Imboden-Bericht die Tatsache, dass durch die vermehrte Zahl von PostDoc-Stellen die individuelle Entscheidung über eine wissenschaftliche Karriere und damit die (Selbst)Auslese aus dem Hochschulsystem schlicht nach hinten verschoben werde.(Imboden, S. 26). Während dieser Zeit, die häufig von „lang andauernden Abhängigkeitsverhältnissen […], hohen Anforderungen an Mobilität und Flexibilität [und] Problemen bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ geprägt sei, so die Kritik, sinken die Chancen auf dem nicht-universitären Arbeitsmarkt und die Gefahr, ins wissenschaftliche Prekariat abzurutschen (Ebd.). Imboden et al. werden an diesem Punkt äußerst deutlich: „Die Situation ist nicht ganz frei von Zynismus, als die Universitäten immens davon profitieren, dass sich eine große Zahl junger Menschen darauf einlässt – in der Hoffnung auf eine akademische Karriere – die produktivsten Jahre ihres Lebens auf schlecht bezahlten und befristeten PostDoc-Stellen zu verbringen. […] Was prima vista für die Universitäten durchaus vorteilhaft scheint, ist jedenfalls ethisch problematisch und birgt auch die Gefahr, dass es nicht unbedingt die vielbeschworenen ‚besten Köpfe‘ sind, die sich auf dieses Vabanquespiel einlassen.“ (S. 26)

Für Frauen, deren Gleichstellung ein grundlegendes Ziel der Exzellenzinitiative war, ist diese Situation noch stärker von Nachteil. Laut dem Bericht an die GWK ist Fakt, dass „die Lebensarrangements von Wissenschaftlerinnen eher schlechtere Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Laufbahn bieten als die der Wissenschaftler“. Weniger Förderung durch direkte Vorgesetzte als männliche Kollegen und Benachteiligungen, wenn es um Befristung bzw. den Zugang zu Vollzeitstellen geht, kommen hinzu. (Bericht GWK, S. 120) An diesen geschlechterspezifischen Baustellen haben die Exzellenzinitiative und ihre Maßnahmen kaum etwas ändern können.

Der Vorschlag der Imboden-Kommission, in der dritten Runde auf die Graduiertenschulen, die erste Förderlinie der Initiative, zu verzichten, kann nichts anderes als ein ambivalentes Fazit dieser Ergebnisse sein. Ambivalent ist es, weil dadurch einerseits eine Variante der Förderung und Ausbildung junger Menschen in der Wissenschaft wegfallen würde; andererseits aber ist diese Empfehlung schlichtes Resultat der Tatsache, dass die Exzellenzinitiative nicht als Nachwuchsprogramm konzipiert wurde. Eine zeitlich befristete Initiative kann die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses, die an einer brutalen Befristungspraxis und Unterfinanzierung als Normalzustand krankt, per definitionem nicht verändern. Doch die Evaluation hat, wie die Imboden-Kommission treffend formuliert, den zynischen Charakter des deutschen Hochschulsystems, zu dem nun auch die Exzellenzinitiative gehört, deutlich zutage gefördert.

Von Seiten der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hieß es bereits vor Veröffentlichung des Imboden-Berichts: „Statt einer übereilten Entscheidung, die Exzellenzinitiative fortzusetzen, brauchen wir jetzt eine Entfristungsoffensive: Durch einen Ausbau der Grundfinanzierung der Hochschulen lassen sich die Voraussetzungen für mehr Dauerstellen für Daueraufgaben schaffen.“ In diesem Sinne kann eine Verbesserung der „Leistungskraft der Forschung in Deutschland“ (DFG-Pressemitteilung) eigentlich nur heißen, die Baustelle „wissenschaftlicher Nachwuchs“ mit voller Kraft anzugehen – das heißt: früher Klarheit schaffen, was die Möglichkeit einer akademischen Karriere angeht, und statt längerer PostDoc-Befristung frühere Entfristung zu institutionalisieren.

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Zwei aktuelle Stellungnahmen, die sich auch mit dem Nachwuchs auseinandersetzen, finden sich hier:

 

Katia Henriette Backhaus, M.A., studierte Politikwissenschaft, Neueste Geschichte und Psychologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Sie ist derzeit Fellow der Leibniz-Forschungsgruppe „Transnationale Gerechtigkeit“ (Prof. Rainer Forst) an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und promoviert zum Verhältnis von Freiheit und Nachhaltigkeit.

 

 

 

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