Can women have it all? Frauen und Elternsein in der Wissenschaft

Eine Karriere in der Wissenschaft erscheint aus vielen Gründen attraktiv. Im günstigsten Fall arbeitet man ohne Selbstüberwindung kreativ an interessanten und (hoffentlich) auch gesellschaftlich relevanten Themen. Man verfügt souverän über seine Arbeitszeit und Überdruss stellt sich angesichts wechselnder und erfüllender Aufgaben wie Lehre, Lesen, Schreiben, Verwaltung und Gedankenaustausch selten ein. Und trotzdem: Soll man es wagen? Als Frau, wenn der Weg zu Professur noch steiniger erscheint als ohnehin schon? Laut der internen Zählung des theorieblogs sind von 72 Professuren in der Politischen Theorie im deutschsprachigen Raum gerade 19 von Frauen besetzt. Und vor allem, wenn man noch dazu Kinder hat oder gern hätte?

Anne-Marie Slaughter befasst sich in der aktuellen Ausgabe des „Atlantic Magazine“ mit diesen Fragen. Sie hinterfragt in ihrem Artikel den Slogan „women can have it all“, also die Losung, dass Frauen sowohl Kinder haben und ihnen Zuwendung und Orientierung geben als auch erfüllende berufliche Wege gehen können, wenn sie nur engagiert genug sind, einen unterstützenden Partner wählen und den Zeitpunkt der Familiengründung strategisch sinnvoll auswählen. Interessanterweise findet Slaughter dies noch einigermaßen unproblematisch, wenn man eine akademische Laufbahn anstrebt. Erst in ihrer Zeit als Regierungsberaterin in Washington wurde ihr bewusst, dass dieser Beruf und ihre Familie sich nicht vereinbaren lassen. Zwar scheinen starre Arbeitszeiten und Bürozentrierung tatsächlich nicht die großen Probleme einer Wissenschaftlerin zu sein, doch der Weg zur Professur ist dennoch biographisch anspruchsvoll. Für Mütter vielleicht zu anspruchsvoll?

Strebt man nach der Promotion eine akademische Karriere an, hat man schätzungsweise zehn Jahre, um die nötigen Qualifikationen für eine Professur zu erwerben – und, als weibliche Absolventin, ungefähr zehn Jahre, bis eine Schwangerschaft biologisch schwierig wird. In diesen zehn Jahren zieht man noch mindestens einmal um und geht für ein oder zwei Semester ins Ausland. Wird man tatsächlich berufen, wird es meist eine Stadt sein, mit der man bisher wenig verbunden war, in der keine Familie und keine Freunde wohnen. Die berufliche Position eines möglichen Partners ist da noch gar nicht bedacht. Wie wirken sich diese Aussichten auf die Möglichkeit, Kinder zu haben, aus?

Vier Wege scheint es zu geben: Erstens, Kind und PartnerIn ziehen mit von Stadt zu Stadt. Zweitens, ein Partner pendelt. Drittens, das Kinderkriegen wird auf die Zeit nach der Berufung verlegt oder, viertens, man entscheidet sich gegen Kinder. Möchte man gern ein Kind bekommen, fallen die beiden letzten Möglichkeiten (mehr oder weniger) weg. Dann bleiben die ersten beiden Möglichkeiten. Entweder Kind und Partner ziehen mit von Stadt zu Stadt, was möglich ist. Das bedeutet aber, dass der Wohnort von den Karriereaussichten eines Partners, in diesem Fall des Wissenschaftlers oder der Wissenschaftlerin, dominiert wird. Wahrscheinlich ist das in einer heterosexuellen Beziehung – auch heute noch – selten die Frau. Außerdem ist fraglich, ob ein Kind die vielen Wechsel problemlos mitmacht. Wie organisiert man Kinderbetreuung ohne Familie und Freunde in der Stadt? Ruht man in dem ganzen Trubel genug in sich, um einem Kind Geborgenheit zu vermitteln? Die zweite der verbliebenen Möglichkeiten ist, seine Kinder im Pendelrhythmus zu sehen. Das ist bestimmt auch für viele Männer nicht erstrebenswert, für die meisten Frauen ist es wohl nur schlecht vorstellbar.

Wenn also die einzigen beiden Möglichkeiten, Elternsein mit einer Karriere in der Wissenschaft zu verbinden, für Frauen beinahe ausgeschlossen sind, dann überrascht es eher, dass sich überhaupt einige junge Frauen auf diesen Weg machen.

Können wir die Bedingungen für wissenschaftliche Karrieren, gerade für Frauen, verbessern? Slaughter macht interessante Vorschläge. Neben der Abkehr von der Bürozentrierung schlägt sie vor, Karrieren zu ‚verschieben’. Konkret würde das heißen, dass man auch mit 45 oder 50 noch ProfessorIn werden kann, schließlich hat man noch mehr Berufsjahre vor sich als in früheren Zeiten mit geringerer Lebenserwartung. In diesem Alter sind die Kinder oft aus dem Haus und man hat wieder viel Zeit für die Wissenschaft. Familienaufgaben sollten zudem als gute Gründe für die Einteilung der Arbeitszeit gelten und überhaupt wäre eine Hinwendung zu mehrdimensionalen Lebensphilosophien am Ende gut für die Kreativität und somit ökonomisch vorteilhaft für die Arbeitgeber.

Noch spezifischer gedacht würde es helfen, eine wissenschaftliche Karriere von der Fixierung auf eine Professur zu lösen. Sinnvolle, ernst genommene und unbefristete Stellen jenseits der Professur würden den Druck aus den Jahren bis zur Berufung nehmen. Das hieße zwar immer noch Verzicht auf die Vorzüge einer Professur, doch wenigstens wäre es für Wissenschaftlerinnen dann weniger schwierig, auch Mütter zu sein. Berufungsentscheidungen müssten zudem entweder unabhängiger vom Alter oder abhängiger vom Familienstatus getroffen werden – ein Vorschlag: In Berufungskommissionen wird verpflichtend pro Kind zwei Jahre zurückgerechnet, wie viele Fachartikel in einem bestimmten Alter zu erwarten sind. Ob ein früheres Berufungsalter (etwa durch den Wegfall der Habilitation) den Frauen angesichts bereits mit 30 Jahren abnehmender Fruchtbarkeit nutzen würde, ist fraglich. Zudem würde das ein etwas lebensfernes Festlegen des Kinderwunsches auf die Zeit nach der Berufung als den Normalfall für Akademikerinnen suggerieren.

Was heißt das für Frauen, die von der Wissenschaft und ihrer Familie gleichermaßen begeistert sind? Dauerstellen jenseits der Professur und die konsequente Anrechnung von Kinderbetreuungszeiten mögen die Aussichten für ein Verbleiben von Müttern in der Wissenschaft erhöhen. Doch lösen sie nicht das Problem der auch örtlich unsteten Zeit nach der Promotion. Sind Männer bereit, ihren erfolgreichen Frauen gewissermaßen hinterherzuziehen? Ziehen wir mitsamt Kindern ans andere Ende des Landes, weil dort eine Professur frei wird? Wie haben gegenwärtige Professoren und Professorinnen mit Kindern ihren Lebensweg wahrgenommen? Sie könnten durch ihr Beispiel inspirieren und dazu beitragen, besonders schwerwiegende Barrieren zu identifizieren.

 

Anja Görnitz ist Promotionsstudentin an der Berlin Graduate School for Transnational Studies und Gastwissenschaftlerin am WZB. Sie hat kürzlich ihre Dissertation über methodologische Fragen idealer Gerechtigkeitskonzeptionen und deren Auswirkungen auf konkrete Gerechtigigkeitsprobleme fertig gestellt.

10 Kommentare zu “Can women have it all? Frauen und Elternsein in der Wissenschaft

  1. Danke für das Posting! Stimmt alles, und ich will die Problematik gar nicht klein reden – andererseits: wer, wenn nicht unsere Generation soll es denn schaffen, dass sich was ändert!

    Ich glaube, das Glas ist mindestens so halb voll wie halb leer: sehr viele Universitäten haben das Problem erkannt und machen mit beim Audit familienfreundliche Hochschule. Es gibt Dual Career Offices. Theoretisch gibt es ab 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz, so dass auch Umzüge leichter funktionieren sollten (praktisch weiß ich nicht, ob das klappt). Die Zahl der Professoren und -innen, die anders denken und versuchen, ihre Mitarbeiter zu unterstützen, wächst. Das Bewusstein für die Problematik steigt allgemein an, siehe z.B. die gendered conference campaign in Philosophie.

    Frühere feste Stellen wären vielleicht hilfreich; England scheint da ein positives Beispiel zu sein. Allerdings müsste dann das System insgesamt umgestellt werden, sonst läuft man Gefahr, damit noch mehr Ungleichheit zu erzeugen. Ich hielte auch aus anderen Gründen eine Umstellung des deutschen Systems für sinnvoll, befürchte aber, dass sie nicht so bald kommen wird. In der derzeitigen Situation gibt es vermutlich keine Patentrezepte, wie man alles auf die Reihe kriegt. Warten, bis man einen Lehrstuhl hat, ist je nach Alter selten vernünftig. Wenn man andererseits zu früh dran ist, hat man evtl. noch nicht das Netzwerk und die Sichtbarkeit in der community, die man braucht, damit die Dinge danach wieder in Schwung kommen.

    Ladies, zusammen kriegen wir das hin! Und Jungs: helft uns dabei! Wenn die akademische Welt kinderfreundlicher wird, wird sie vielleicht auch ein bisschen menschenfreundlicher 😉

  2. Warum wird das Problem eigentlich immer nur in Bezug auf Frauen und die Mutterrolle so breit diskutiert?
    Wenn man sich die Rate der Eltern in der Wissenschaft so anschaut, glaube ich ja, dass die Argumente eben nicht nur für Frauen zählen. Als Vater hat man oftmals die selben Probleme, hier wird aber oft angenommen, dass das dann ja die Partnerin übernehmen kann. Wenn man aber eine wirklich gleichberechtigte Beziehung führt, in der beide ihrem Beruf nachgehen, stößt man dann doch reletiv schnell auf Unverständnis, und zwar auf Seiten der wissenschaftlichen Kollegen über die wenige Opferbereitschaft (z.B. für Kolloquien nach 18.00 Uhr) und bei den Kollegen der Partnerin für die wechselnden Anforderungen der Wissenschaftswelt.
    Auch kenne ich Professoren, die sich explizit die Frauenförderung auf die Fahne geschrieben haben, bei denen man als Erziehender gleich zurückgestuft wird.
    Drittens gibt es jede Menge Frauenförderprogramme, die Familienfreundlichkeit und Vereinbarkeit im Sinn haben. Nur fallen dort auch häufiger die Männer hinten runter.
    Also Ladies, ihr seid nicht alleine. Weder mit euren Problemen, noch mit der Suche nach den Lösungen!

  3. Es stimmt, dass es alle Leute betrifft, die in einem bestimmten Alter einen Teil ihrer Zeit auf Kindererziehung verwenden wollen. Bei Frauen ist allerdings das Zeitfenster für Elternschaft kleiner – ein männlicher Postdoc-Kollege meinte neulich zu mir: „Ich kann mir, wenn ich irgendwann einen Lehrstuhl habe, immer noch eine zehn Jahre jüngere Frau suchen, und dann an Familiengründung denken – das kannst Du nicht.“ (Und dann gibt es noch eine Reihe anderer Probleme für Frauen, z.B. dass ihnen weniger zugetraut wird, aber das sind andere Themen).
    Ansonsten aber sind die Probleme vergleichbar, aber auch die Suche nach Lösungen – und hoffentlich das steigende Bewusstsein und die institutionellen Veränderungen.

  4. Die Lösungsvorschläge der vorangegangen Postings berücksichtigen leider nicht die Phase im ersten Lebensjahr. Das Stillen ist ein wichtiger Prozess im Leben von Mutter, Vater und Kind auch in Bezug auf die Gesundheit aller Beteiligten. Ich stelle es mir gerade etwas schwierig vor, meinem Arbeitgeber zu verdeutlichen, dass ich (wenn ich auf meine Elternzeit verzichte und mein Mann statt dessen in Elternzeit geht) alle zwei Stunden im Büro mein Kind stillen kann. Abgesehen von der großen Organisationskunst, das Kind in den zwei Stunden bei meinem Mann versorgt zu wissen (wenn der Wohnort nicht direkt neben dem Arbeitsplatz liegt), ist das Stillen in einem Büro mit mehreren Mitarbeiter_innen eher kompliziert. Für die Kolleg_innen, für das Kind und für mich selbst. Wenn dann nicht nur ein Kind geplant ist, wird die Situation nicht einfacher. Die Situation wenn das Kind im Krippenalter ist, finde ich nicht so beängstigend wie die Frage nach der Betreuung im ersten Lebensjahr in Kombination mit einem „an der Wissenschaft dran bleiben“.

    Neben dem Kinderkriegen während der wissenschaftlichen Karriere gibt es zwei Alternativen:
    1. Während dem Studium ein Kind zu bekommen erscheint mir im Vergleich zum Kinderwunsch in der Erwerbstätigkeit um einiges einfacher. Allerdings braucht man dann bereits „den“ einen Partner (um in klassischen Vorstellungen einmal zu verhaften) und muss sich selber reif genug für ein oder mehrere Kinder fühlen. Mal abgesehen davon, dass eine Verlängerung der Studienzeit mit der oder den Schwangerschaften einhergeht und auch hierfür selten Verständnis von Arbeitgeberseite aus gezeigt wird.
    2. Nach dem Studienabschluss vor dem Einstieg in den Beruf. Diese Variante wird für mich durch die katastrophale Berechnung des Elterngeldes ad absurdum geführt. Hinzukommt, dass meine Chancen auf einen Arbeitsplatz nach einer Babypause nach dem Studium für mich als unwahrscheinlich erscheint. Und wenn mehr als ein Kind geplant ist, wird diese Pause dann auch schon mal 2 – 3 Jahre lang…..

    Der einzige Weg scheint zu sein, es drauf ankommen zu lassen und zu hoffen, dass alles gut geht und die Karriere dennoch wie erwünscht verläuft…. An dieser Stelle ist meines Erachtens die Gesellschaft gefragt, zu überdenken was sie will.
    1. Rückgang der Geburten, demographischer Wandel, Veralterung der Gesellschaft und alle damit einhergehenden Folgen im Bereich sozialer Sicherungssysteme
    oder
    2. Eine Förderung der Geburten insbesondere im Bereich akademischer Familien durch angepasste Bürosituationen, „Ausfallzeiten“, Gleitzeiten u.ä.

    So lange die Gesellschaft nicht weiß, was sie will, kann auch keine große Veränderung statt finden, denn wie bei vielen gilt auch bei diesem Thema: Die Veränderung muss im Kopf des Einzelnen beginnen.
    Und wenn ich für eine Stärkung der Geburtenrate bin darf ich mich nicht darüber ärgern, dass meine junge Nachwuchswissenschaftlerin nach 3 Monaten Einarbeitungszeit schwanger wird sondern mit ihr gemeinsam Lösungen finden, wie ihre und meine Vorstellungen zusammen finden. Da müssen die Strukturen flexibel genug sein, damit im Sinne aller Privates und Wissenschaft (Erwerbsarbeit) zusammenpasst.

  5. Liebe alle,

    vielen Dank für die Postings und den Artikel! Es gibt da viel zu diskutieren, das Thema und die politischen Strukturen (und Verbesserungsnotwendigkeiten) sind sehr komplex. Daher hier nur ein paar Punkte.

    Ich gebe Lisa Recht, dass schon einiges geschehen ist, aber noch viel verbessert werden muss.
    Ich gebe aber auch Christopher Recht, dass hier ein wenig etwas schief dargestellt wird: Es geht auch darum, ob die Partner, die ihrer Partnerin in der Kinderbetreuung den Rückenstärken, in der Hinsicht berücksichtigt werden; das heißt, auch Männer sind in folgendem Passus von Anjas Text zu berücksichtigen: „Dauerstellen jenseits der Professur und die konsequente Anrechnung von Kinderbetreuungszeiten mögen die Aussichten für ein Verbleiben von Müttern in der Wissenschaft erhöhen.“, das Gleiche gilt auch für Väter! Auch deren Betreuungszeiten müssen anerkannt werden. So lange es auch hier kein Umdenken gibt, verbleiben wir doch in stereotypen anstatt in gleichberechtigtem Denken!

    Und nun noch aus eigener Erfahrung: Die Zeit fürs Stillen MUSS dir am Arbeitsort eingeräumt werden. Und gerade das ist an einer Uni, an der du deinen Zeitplan relativ gut selbst einteilen kannst, noch komfortabel – anders, als wenn du vielleicht in einem Großraumbüro sitzt und/oder dauernd Meetings hast. Du sitzt als zum Beispiel wissenschaftliche Mitarbeiterin ja auch i.d.R. nicht mit deinem Chef/deiner Chefin in einem Büro. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sehr viele in der Hinsicht sehr verständnisvoll sind und dir alle Möglichkeiten eröffnen (eigenen, ruhigen Raum, Kühlschrank (falls man nicht stillt, sondern abpumpen muss) usw.). Komplizierter wird es, wenn man Vorlesungen / Seminare hält, die länger als zwei Stunden gehen… Im Übrigen werden die Still-Zwischenzeiten (also die Zeit zwischen zwei Stillmahlzeiten) aber nach den ersten drei Monaten sowieso etwas länger, also man muss nicht alle zwei Stunden stillen. Dem Partner gerade dann die Betreuungsleistung zutrauen, das ist wohl auch eine Leistung, die die Mütter vollbringen müssen und sollten; so wie es hier geschildert ist, finde ich, kommen die Männer / Väter tatsächlich etwas zu kurz und zu stereotyp weg; wie oben gesagt: Das Denken auch von den Frauen muss sich da ändern.

    Ich arbeite übrigens in der Schweiz. Dort muss man bis 2 Wochen vor der Geburt arbeiten und dann wieder ab 3,5 Monaten nach der Geburt (in Dtl. nur bis 6 Wochen vor der Geburt). Krippenplätze sind enorm rar und enorm teuer: Für 3 Tage die Woche im Schnitt 1500 Franken, d.h. 1200 Euro. Viele Frauen treten da nach der Geburt beruflich zurück, der Mann arbeitet meist 100 % bis mehr; das ist alles noch sehr konservativ und rückständig; da ist Deutschland schon etwas weiter (aber lange nicht so weit wie zB Schweden). Die Elternzeit (1 Jahr) ist da schon ein guter Schritt, vor allem, da man in der Elternzeit dann eben doch den ein oder anderen Aufsatz schreiben kann. Was man, wenn man nebenbei auch noch lehren muss, tatsächlich nur mit großer Anstrengung und viel Unterstützung schafft.

    Da bin ich als Akademikerin mit einem ebenfalls frei beruflich arbeitenden Partner noch sehr glücklich, dass es bei mir noch relativ einfach ist: Wir konnten und können unser Kind von Anfang an gleichberechtigt betreuen, hatten die gleiche Zeit für das Kind; das hat die Beziehung zum Kind von beiden Seiten enorm gestärkt. Es muss aber auch von beiden Seiten die Bereitschaft sein, dann in dieser Zeit die Karriere etwas zurückzustellen: dann eben mal vier Monate lang keinen Artikel schreiben oder sich mehr Zeit lassen! Keine Konferenzbesuche ein Jahr lang, und so weiter. Wir sind als NachwuchswissenschaftlerInnen einem großen Druck ausgesetzt, wir setzen ihn uns oftmals aber auch selbst. Das gilt ja nicht nur für Menschen mit Kindern oder Kinderwunsch, sondern für alle im akademischen Betrieb, der von dem Beschleunigungswahn ebenso erfasst ist wie andere Bereiche unseres Lebens. Mit Kind merkt man das nur mehr und hat keine andere Möglichkeit, als einfach mal ein paar Sachen nicht mitzumachen…

    Ins Ausland kann man mit Kindern übrigens gut, v.a. wenn sie noch sehr klein sind, da sind sie sehr flexibel. Ich habe gerade 4 Monate Forschungsaufenthalt mit der Kleinfamilie hinter mir; ein Kollege von mir geht jetzt mit Frau und zwei Kindern nach Yale… Wer Stipendien beantragt wird meiner Erfahrung nach ganz gut in der Hinsicht berücksichtigt, wenn er/sie Kinder hat.

    Ob man bis zur Berufung warten will, ist eine persönliche Entscheidungssache. Aber einfacher und entschleunigter wird es dann sicher nicht, eher im Gegenteil…

    Mein Eundruck ist: es hat sich einiges verbessert im Vergleich zu den Generationen vor uns, wo es wahrscheinlich tatsächlich noch ein „entweder oder“ war. Ich bin froh, dass es mehr in Richtung „sowohl als auch“ zu gehen scheint.

  6. Liebe alle,

    ich finde es erfrischend, auf dem theorieblog vom Stillen und von Kita-Kosten zu lesen. Ich vermute, je konkreter wir die Probleme diskutieren, desto besser können wir uns auch Lösungsvorschläge überlegen.

    In einer gleichberechtigten Beziehung sind Väter von den gleichen Problemen betroffen wie Mütter, klar. Der Artikel ist absichtlich ein wenig provokant auf die speziellen Probleme von Müttern ausgerichtet, weil es ein wenig nerven würde, von männlichen Professoren zu hören, dass es in ihrem Fall mit den Kindern gut geklappt hat. Weil ich vermuten würde, dass die Partnerin in den meisten Fällen mit von Stadt zu Stadt gezogen ist und die Hauptlast der Erziehung, gerade in den ersten Jahren, leisten konnte. Und die Frage eben ist, inwiefern dieses Modell auch für Frauen lebbar ist. Selbst wenn sie einen kooperativen Partner haben, finden Frauen es womöglich häufiger als Männer schwierig, diejenige zu sein, die Vorgaben für die ganze Familie macht. Denn damit übernimmt man ja auch Verantwortung – die bestimmt auch Männern mitunter schwer auf den Schultern liegt.

    Da könnte man sagen, wer Gleichberechtigung will, muss auch Verantwortung übernehmen. Überhaupt braucht es individuellen Mut und Zuversicht. Und Beispiele von geglückten Versuchen, Wissenschaft und Elternsein zu leben, helfen dabei, diese Zuversicht zu entwickeln. Gleichzeitig institutionelle und kulturelle Veränderungen anzustreben erscheint mir aber weiterhin unerlässlich. Sind feste Stellen jenseits der Professur eigentlich eine gute Idee? Was spricht dagegen? Vermutet man hier, dass die Wissenschaftler sich dann keine Mühe mehr geben?

  7. Mich interessiert der Artikel eigentlich nicht, aber da zuletzt die Rede davon war, ob anhand konkreter Debatten Lösungen erarbeitet werden können, will ich doch eine allgemeine Frage nachreichen: Ist das Theorieblog wirklich für die Bearbeitung von empirischen Begebenheiten gedacht? Wenn ja, dann mag Lebenshilfe hier willkommen sein, wenn nein, dann sollten Betroffenheitsberichte bitte mit der nötigen Distanz vorgetragen werden, um darin den wissenschaftlichen Wert wiedererkennen zu lassen.

    Bei einem so „heißen“ Thema wie der Frage, ob es angemessene Möglichkeiten gibt, Familie und Beruf zu vereinbaren, müssten ohnehin einige Grundlagen vorher abgesteckt werden. Wenn Christopher weiter oben eine gleiche Sprechposition für „Männer“ verlangt, dann darf ich daran erinnern, das es so etwas wie eine historische Ungerechtigkeit gibt, die sich in männlicher Herrschaft ausdrückt. Diese ist nach wie vor nicht überwunden und findet ihren Ausdruck nicht allein im politischen Kampf feministischer Bewegungen, sondern auch in der Kritik von „Gender“-bias in den Wissenschaften (durch die Bank) sowie der Ausrichtung an einer Geschlechterdichotomie. Familiensoziologen dokumentieren ja schon seit längerem einen Trend zur Repatriachialisierung von Familienverhältnissen und früher war die Diskussion ums „Kinderkriegen“ ebenfalls schon eminent politisch, aber in einer ganz anderen Form als der des Stillens (reduziert mal wieder die Existenz als Frau aufs Biologische und Psychisch-Sexuelle) oder der Karriereplanung (sic!). Karriereplanung ist wohl überhaupt die schiefe Ebene, auf der auch der Mainstreamfeminismus abgeglitten ist, als er sich mit der Forderung um gleichberechtige Teilhabe zufriedengestellt hat. Und das durchaus nicht als inkrementalistische Strategie, sondern ernsthaft vorgetragene Reformbemühung. Progressiv ist das aus meiner Sicht nicht. Zeitgemäß wäre neben einer Kritik von Geschlechter- und Reproduktionsverhältnissen auch deren ideologisch Reartikulation auch in den Wissenschaften bzw. unter Wissenschaftlern (vgl. http://goo.gl/Fmnoz).

    Es wäre ja schon einiges gewonnen, wenn man nicht allein die Frage nach persönlichem Erfolg (vulgo: Karriere) voranstellen und dies dann noch mit persönlichem Glück verbinden wollen würde. Schon die Einleitungssequenz des Artikels oben ist insoweit ideologisch, als die Absurdität des Berufslebens einerseits richtig geahnt wird, andererseits im Wissenschaftlerdasein ein vermeintliches Odium gegen kapitalistische Entfremdung und Ausbeutung in anderen Berufen ausgemalt wird, nur um dann in der alten Leier von mehr Möglichkeiten zur persönlichen Teilhabe zu versacken (auch hier wäre der Stellenwert des Wissenschaftlerdaseins in der Gesellschaft näher zu diskutieren, Berufsbilder existieren nicht abstrakt). Zumindest einige soziologische und klassentheoretische Blindstellen sind in der Analyse nicht zu leugnen, auch wenn das persönliche Interesse und die Verärgerung über den Status quo nachvollziehbar erscheint.

  8. Lieber Alexander,

    mir scheint, Du kritisierst schon die Präsuppositionen der Diskussion, die ja sind: Angenommen, man ist eine Frau und möchte Kinder und könnte sich Wissenschaft als Beruf gut vorstellen. Eine Frau sein ist vermutlich noch einigermaßen akzeptabel, ein Kinderwunsch aus feministischer und das Streben in die Wissenschaft aus kapitalismuskritischer Sicht nicht hinzunehmen.

    Wollte ich ideologisch korrekte Feministin sein, müsste ich also das Thematisieren von beruflichen Hindernissen für Mütter als Lebenshilfe bezeichnen und Frauen die Selbst-Reduktion auf’s Biologische vorwerfen, wenn sie vom Stillen berichten. Was ich als lupenreine Kapitalismuskritikerin wollen dürfte, weiss ich gar nicht, Teilhabe also schon mal nicht. Gar nicht so einfach mit der Emanzipation…

  9. Hallo Anja,

    mein Beitrag ist nicht als Affront gedacht, auch wenn du voraussetzen kannst, dass ich etwas verwirrt bin. Als Gesellschaftskritiker ist man insoweit auf brüchigem Eis, als dass auch verständliche Alltagshandlungen auf die Tagesordnungen kommen – das heißt, man muss seine unmittelbare Betroffenheit thematisieren, was ein heißes Eisen ist.
    Es gäbe auch genügend Vorwürfe aus feministischer Sicht an Gesellschaftskritik – zu viele, als dass ich sie jetzt alle bennenen könnte. Aber es geht ja wie gesagt schon bei der Grundsatzfrage los, wer sich überhaupt an deiner Diskussion beteiligen sollte. Wir hatten ja mal die Form des exklusiven Feminismus (durchaus nicht den militanten), der Männern eine Mitdiskussion untersagte — ich kann das durchaus nachvollziehen, denn lassen wir mal die gesellschaftsformspezifischen Einwände (Kapitalismus – ja/nein bzw. in dieser Dichotomie überhaupt haltbar? usw.) findet man m.E. transhistorische Ungerechtigkeiten vor, die heute nicht verarbeitet sind, auch wenn es zur political correctness zählt. Boltanski und Chiapello haben das aus meiner Sicht in ihrem Buch „Der neue Geist des Kapitalismus“ derart gut herausgearbeitet (für den Managementdiskurs und die Ideale und Authentiziätswünsche der Post-68er), das sich hier Analogien bilden lassen könnten.

    Ich will mich auch nicht in die Frage einmischen, ob man sich begründet für oder gegen ein Kind entscheiden kann. Ich wollte nur auf die historische Besonderheit hinweisen, dass die Familiensoziologie als Faktum registriert, dass trotz der partnerschaftlichen Lastenverteilung, die auch die Kommentatorinnen oben ansprechen, es allerhand – ich sage mal: latente – Ungleichheiten in Partnerschaften gibt, die unhinterfragt fortwirken. Auf der Ebene der politischen Regulation drückt sich dass dann bspw. in einem Elterngeld aus (das: und hier setzt meine soziologische/klassentheoretisch/schichtspezifische/milieuabhängige…die Aufzählung ist hier Stilmittel um zu zeigen, dass die Klassifikationen durchaus auch verwirrend oder relativ sein können – Kritik an, dass trotz aller political correctness sich nur bestimmte Lebensformen und Lebenstile reproduzieren oder behaupten sollen. Das wirst du nicht intendiert haben – und ich möchte jetzt auch nicht zu sehr abschweifen, aber ich gehe doch auch davon aus, dass ein Frage der öffentlichen Diskursivierung ist, wie man mit der Frage des „Kinderkriegens“ (ich nenne hier bewusst nicht Elternschaft, weil es in unserer Gesellschaft so etwas wie ein „Recht am Kind“ ausdrückt, das es nicht gibt – du kennst vergleichbare Analogien vielleicht aus der Debatte um Pränataldiagnostik und der Rechtsprechung für bzw. wider die werdende Mutter, wenn es um leibliche Eingriffe geht) umgeht.

    Man könnte unsere Gesellschaft rassistisch nennen. Das wäre ein Ansatz, man könnte auch die Beschleunigung kritisieren, wobei damit m.E. nur bestimmte, historische kontingente Anforderungen des Erwerbslebens diskutiert werden. Ich würde von polyvalenter Diskriminierung sprechen, Nina Degele und Gabriele Winker fordern daher „intersektionale“ Analyseraster, um die Repressionen gegen Frauen und weiter: auch Homo- und Transsexuelle (wie schaut es mit deren Adoptions- oder Zeugungsrecht aus, ist das sozial anerkannt?). Wo ich aber allen recht gebe, das ist die Frage, wie potenzielel Arbeitgeber damit umgehen – hier soltle man tatsächlich pragmatische Vorschläge einführen, die ad hoc umsetzbar sind (dazu könnten ja auch Räume für Mütter gehören, um angemessen Stillen zu können).

    Hinsichtlich des Karrierebegriffs sehe ich das auch durchaus differenzierter – nur es muss auch eine polemische Volte möglich sein, damit der persönliche Fokus sich nicht zu stark auf das nur individuelle Vorankommen fokussiert. Das könntest du sogar mit linksliberalen Gemeinschaftstheorien und Gerechtigkeitskonzeptionen kritisieren (auch wenn ich deren Sozialontologie für fragwürdig halte, sie passen aber in ein bestimmte Wohlfahrtsstaatbild).

    Was übringes auch spannend wäre, neben der Frage der Mutterschaft als „ideelle Anrufung“ (im Sinne Butlers), Sexualitätsdiskurse zu diskutieren. Während es bei dir ja begründet um Fertilität und Alltagshandeln geht – durchaus sozial- und arbeitsmarktpolitische Fragen (neben demographischen), interessiert mich tatsächlich das, was du als Präsupposition benennst: deine Frage über die Handlungsmöglichkeiten von Frauen ist z.B. für Mütter, die ungewollt im Wege sexueller Nötigung zu Mutterschaft „gedrängt“ worden sind (und weil sie aus moralischen Erwägungen nicht abtreiben wollen) mit der doppelten Stigmatisierung umgehen: dabei geht es dann nicht mehr oder allein um die Frage, ob man Erwerbsarbeit und Mutterschaft harmonisieren kann (hier gibt es z.B. das Angebot der Vier-in-Einem-Perspektive um Frigga Haug, das wäre ein linkssozialdemokratisches Konzept auf Basis eines Grundeinkommens), sondern inwieweit sexuelle Gewalt heute noch Untersuchungsthema aus. Aus dieser Debatte heraus („mein Bauch gehört mir!“) ist wohl auch die damalige (ich verorte das mal in den 70ern) Diskussion um eine Überschreitung der Empfängniszuschreibung auf Frauen (hier als Rollen/Identitäten) mit Mitteln des politischen Kampfes zu kontern.

    Wie gesagt, alles mit Vorbehalt, da sich Männer nur mit Begründung einer solchen Diskussion beteiligen – die m.E. nicht vergleichbar ist mit der Übernahme von Erziehungsaufgaben als Vater -, ganz so, wie man in Fragen des Rassismus nicht als Weißer die Diskussionsgrundlagen vorgeben kann, wenn es um den Kampf um Anerkennung bei Afroamerikanern geht. Man wäre hier in erster Linie Zuhörer.

    Hier noch ein Link zur Schrift von Degele und Winker, das dir vielleicht schon bekannt ist: http://goo.gl/bxmX1

    Ich kürze hier mal ab, vielleicht hast du aber noch Gelegenheit/Interesse, die Diskussion etwas zu vertiefen.

  10. Noch ein kurzer Nachtrag zur Methode: Wir können m.E. die Frage nach der Gesellschaftsform in den Bereich der Methodik verschieben. Das ist zumindest unter empirisch-analytisch arbeitenden Wissenschaftlern ein oft angewandter heuristischer Kniff, eigene normative Voraussetzungen nur implizit zu äußern, hingegen offen konträre Positionen der Unwissenschaftlichkeit (mitunter gilt „normativ“ ja schon als Vorwurf) aus der Debatte herauszunehmen. Das wäre eine klare Verknappung des Diskurses (in terms Foucault).

    Leider ist man es durch theoriegeschichtliche Module gewöhnt, die Frage nach der Gesellschafts aus chronologische, konjunkturtheoretische oder historiographische Frage abzuhandeln und in Analyseeinheiten aufzudröseln (z.B. als sog. „Fragen der Methode). Ich würde dagegen insofern auf eine konvetionalistische Antwort rekurrieren, als dass doch das wissenschaftliche Ergebnis vorgeben müsse, welche Handlungen abzuleiten wären. In dem wir mit Etikettierungen arbeiten (durchaus als Mittel der Komplexitätsreduktion) wird aus meiner Sicht eben auch jene Diskussion um die Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft ideologisch einseitig behandelt: z.B. aus Produktivitätsgesichtspunkten, nicht aber aus wissenschaftsimmanenten. Was ich meine, wird z.B. in dem Buch von Werner Hofman (1968) zur Wissenschaftssoziologie dokumentiert: „Universität, Ideologie, Gesellschaft. Beiträge zur Wissenssoziologie“. Dort vor allem im Aufsatz: „Die gesellschaftliche Verantwortung der Universität“ und auch „Vom Werturteil in der Gesellschaftslehre“. Das Buch ist billig über den Onlinehandel zu beziehen: http://goo.gl/tpdGV Während es aus einigen Bibliothekskatalogen bereits ausgesondert ist („kein State of the Art“…). Hofmann war Soziologe vor 1968 und Begründer des „Bund demokratischer Wissenschaftler/innen“ (BdWi).

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