Call: Deliberative Demokratie bei der DVPW-Tagung 2012

Die Theoriesektion der DVPW veranstaltet beim 25.  Gesamtkongress in Tübingen (24.-28. September 2012) ein größeres Panel zum „Versprechen der deliberativen Demokratie“. Das allgemeinere Demokratie-Thema des Kongresses insgesamt soll im Theoriepanel auf  Ideengeschichte und Aussichten des Konzepts deliberativer Demokratie zugespitzt werden – hierfür gibt es nun den ausführlichen Call, der für interessierte Vortragende eine Reihe von Beitragsmöglichkeiten andeutet. Deadline für Vorschläge ist der 30. Januar 2012. Hier der vollständige Call:

 

Das Versprechen der deliberativen Demokratie – Herkunft und Zukunft
Call for Proposals für das Panel der Sektion Politische Theorie und Ideengeschichte
Beim 25. Kongress der DVPW in Tübingen, 24.-28. September 2012
Die Dominanz deliberativer Theorien in der aktuellen demokratietheoretischen Debatte lässt sich mit den großen Versprechen erklären, die diese mit sich bringen. So versprechen deliberative Demokratietheorien – in unterschiedlicher Weise und in unterschiedlichem Maße – nicht nur eine gegenüber reinen Mehrheitsentscheidungen höhere Legitimität von Entscheidungen durch Deliberation, sondern auch eine höhere Qualität von Entscheidungen, welche auf der Grundlage interaktiver Rechtfertigung die Vermutung höherer Vernünftigkeit oder Gerechtigkeit für sich reklamieren können. Hinzu kommt die Hoffnung, dass der
‚zwanglose Zwang des besseren Arguments’, der in deliberativen Foren herrschen soll, konfligierende Werte, Interessen und Präferenzen in einer Weise transformiert, die, wenn nicht einen Konsens, so doch zumindest Verständigung und ‚tiefe Kompromisse’ ermöglicht.
Das Versprechen, durch Verständigung Lösungen zu finden, die aufgrund einer breiten Zustimmung und aufgrund ihrer vermuteten Vernünftigkeit über eine höhere Legitimität verfügen, ist somit ein Dreh- und Angelpunkt der deliberativen Theorie. Der ideengeschichtliche Ursprung des deliberativen Versprechens wird von den überwiegend analytisch arbeitenden Vertretern deliberativer Theorien dabei selten thematisiert. Dabei könnte die Herkunft dieses Versprechens auch Licht auf seine Folgen werfen und damit neue Fragen in den Mittelpunkt der Diskussion rücken. Offene Fragen betreffen insbesondere das Verhältnis von kritischer Öffentlichkeit, deliberativen Foren und mehrheitsdemokratisch legitimierten Entscheidungsträgern: Wo ist der Ort der Deliberation –
in einer nicht institutionalisierbaren Öffentlichkeit, in Bürgerforen oder im Parlament? Dient Deliberation der Vorbereitung und Findung von Entscheidungen oder ist sie technokratisches Instrument zur Erreichung vorgegebener Ziele? Wenn durch Deliberation keine breite Zustimmung zu einer Lösung zu erzielen ist, wer soll entscheiden wann, durch wen und über welche Handlungsoptionen abzustimmen ist? Sollen wir die bestehenden Institutionen der repräsentativen Demokratie – insbesondere das Parlament – deliberativ umgestalten oderverhalten sie sich mit ihrer antagonistischen Interaktionslogik komplementär zu deliberativen
Foren?
Hinsichtlich der Zukunft des deliberativen Versprechens erweckt ein Blick in die neuere Literatur den Eindruck, dass die Zeit der großen Theorieentwürfe vorbei ist und sich der Schwerpunkt der Forschung im Bereich der deliberativen Demokratietheorie auf
kleinteiligere Einzelstudien und empirische Untersuchungen verlagert. Von Interesse für die politische Theorie sind diese freilich nur dann, wenn sie prüfen, ob die Praxis der Deliberation in etablierten Institutionen, Bürgerforen und neuen Medien in der Lage ist, die Versprechen der Theorie einzulösen. Transformiert Deliberation die Einstellungen und Präferenzen der Beteiligten tatsächlich, und wenn ja, in welche Richtung? Ermöglicht Deliberation wirklich ‚bessere’ Entscheidungen und wenn ja, an welchen Kriterien wäre dies zu bemessen? Inwiefern befördert die deliberative Rechtfertigung von Handlungsplänen ihre Legitimität und Legitimation? Werden die Versprechen der Deliberation gegenüber allen Bürgern gleichermaßen eingelöst oder perpetuiert auch oder gerade die Deliberation die Ungleichbehandlung traditionell benachteiligter Gruppen? Gerade vor dem Hintergrund ungleicher Beteiligungs- und Einflusschancen in deliberativen Verfahren stellt sich nicht zuletzt auch die Frage, inwieweit das deliberative Versprechen insofern ein ‚falsches’ sein könnte, als dass es Interessen und ideologische Motive verschleiert.
Wir freuen uns über Vortragsvorschläge, die
– der Herkunft des deliberativen Versprechens in der politischen Ideengeschichte nachgehen und vor diesem Hintergrund aktuelle und systematische Fragen formulieren
– das Verhältnis von Deliberation und Entscheidung, insbesondere der demokratischen Mehrheitsentscheidung in den Blick nehmen
– die Institutionalisierung von Deliberation und das Verhältnis deliberativer Foren zu den Institutionen der repräsentativen Demokratie diskutieren
– die Einlösbarkeit des deliberativen Versprechens vor dem Hintergrund empirischer Forschungsergebnisse diskutieren oder
– das deliberative Versprechen kritisch hinterfragen.
Vorschläge sind bis zum 30.01.2012 zu richten an:
Claudia Landwehr (Landwehr@politik.uni-mainz.de)

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